I’m a real artist.

If only. Oder?

Du schleppst diese Idee schon ein paar Jahre mit Dir herum. Sie ist so außergewöhnlich, oder gewöhnlich, oder persönlich, oder bewegend. Und sie kann nur von Dir geschrieben werden. Was hält Dich davon ab, sie aufzuschreiben?

Ja, natürlich: Arbeit, Kinder, oder noch wahrscheinlicher – diese Stimme in Deinem Kopf. Sie flüstert: Was glaubst Du eigentlich, wer Du bist? Wen soll das interessieren? Lass es doch sein, mach Dich nicht lächerlich…
Den inneren Kritiker kennen wohl alle, die sich kreativ ausdrücken möchten. Es bringt nichts: wir müssen diese Stimme aushalten, sie wird sich wohl nie ganz abstellen lassen. Doch können wir sie ignorieren, ihr trotzen, unsere Entschlossenheit, es ihr zu zeigen, weiter und weiter steigern. Du kannst ihr eine Gestalt geben: Wie sieht sie aus? Welches Geschlecht hat dieser Kritiker? Weshalb will sie Dich immerzu ärgern?

Setze sie auf einen Stuhl in die Ecke. Knebele sie. Fessele sie. Sie kann nicht weg, aber sie kann Dich auch nicht mehr stören.

Und jetzt brauchst Du eine Routine. Schließe eine Pakt mit Dir selbst: ab jetzt wirst Du jeden Tag zur selben Zeit schreiben, zwei Stunden lang. Einen Monat lang. Am nächsten Tag wirst Du Dir nicht anschauen, was Du bisher geschrieben hast. Mach einfach weiter – bis zum Ende des ersten Monats. Dann wirst Du merken, dass es kein Zurück mehr gibt. Du bist schon so weit gekommen, warum solltest Du jetzt abbrechen?

Natürlich gehen wir alle nicht in eine Buchhandlung und sagen: Hey, ich weiß genau was hier fehlt – ein Buch! Sicher nicht. Doch niemand würde das Buch schreiben, das sich schon in Deinem Kopf, in Deiner Fantasie befindet. Niemand könnte das tun außer Dir. Und es wäre sehr schade, wenn das Buch nicht geschrieben würde. Also, warum solltest Du es nicht einfach mal versuchen?

Setze Dich dabei nicht unter Druck. Es ist egal, ob Du 200, 500, 1000 Worte schreibst in einer Sitzung. Fang am Anfang Deiner Geschichte an, in der Mitte, oder schreib den Schluss zuerst. Das sind im Moment ganz unwichtige Fragen. Was aber wichtig ist, ist, dass Du es jeden Tag aufs Neue versuchst, Dich jeden Tag hinsetzt und etwas schreibst. Und dabei halte alles schön einfach. So, wie Du früher Briefe geschrieben hast. Weißt Du noch? Du hast Deine Reisen geschildert in Deinen Briefen nach Hause, Du hast die Menschen beschrieben, die Dir begegnet sind, von Deiner Arbeit erzählt, von den Menschen, die Dich zum Lachen gebracht haben.

Schreib einfach noch einen Brief nach Hause, aber nun über Leute und Abenteuer, die Du nicht selbst erlebt hast. Erfinde einfach neue Personen dazu. Die werden Dir dankbar sein, dass Du sie in die Welt gebracht hast – und Dir dann gerne mehr über sich erzählen. Und wenn es Dir Spaß macht, dann hat sehr wahrscheinlich auch jemand anders Spaß daran!

Ich freue mich auf Deine Meinung dazu. Wie funktioniert es für Dich mit dem Schreiben? Lass gerne von Dir hören!

astrid@textfactory.org

(inspiriert durch: Struggling to read, or write? How to be creative in lockdown, The Guardian, 02.05.2020)

Bildnachweis: Chris Curry on unsplash.com – Thanks, Chris!